Geschichte
75 Jahre Turnverein Weitnau
Autor: Otto Hitzler (Sohn des ersten Vorstands Josef Hitzler)
Festansprache zum 75. Gründungsjubiläum des Turnverein Weitnau am 28.09.2003
Verehrte Festgäste, liebe Sportlerinnen und Sportler!
So ein Jubiläum verlangt natürlich einen Rückblick. Und ich bin der amtliche Rückblicker. Also auf ins Jahr 1928. Zum 30. September hatte Bürgermeister Müller eine Versammlung einberufen, die klären sollte, ob man in Weitnau einen Turnverein haben will. – Seltmans hatte schon einen. – Nach aufklärenden Worten von Hauptlehrer Hitzler über Sinn und Nutzen des Turnens wurde von den überraschend vielen Besuchern – so der Chronist – die Gründung beschlossen und Hitzler zum provisorischen Vorstand gewählt. Er sollte die Formalitäten mit Behörden und Turnverband klären. Bei der von ihm einberufenen Versammlung am 11.11. wurde die Gründung beschlossen und eine Vorstandschaft gewählt, Josef Hitzler als 1. Vorstand.
Die Herren Beisitzer hatten zum Teil sehr stattliche Figuren. Aber als ich einem von ihnen 25 Jahre später eine Urkunde für seine Vereinstreue ins Haus brachte, sagte er; „Mir hand fei scho au turnet und manches Pfund weggschwitzt. Bloß hammers nochat glei meh nagsoffe.“ Die Versuchung war ja auch groß, denn geturnt wurde im Adlersaal. Nach dem Turnen kam man in der Gaststube vorbei – oder eben nicht vorbei.
Der Adlersaal blieb bis 1965, also 37 Jahre, unser Übungsraum. Er war groß und hoch, aber er wurde nicht geheizt und die 6 großen Fenster ließen die Kälte fast ungehindert ein. Außerdem durfte man in dem Glaspalast keine Ballspiele machen. Die Saalmiete von 10 RM und die ersten Geräte bezahlte die Gemeinde: Reck, Barren, Bock und Matten. Die Kokosmatten von damals waren eine Art großer Fußabstreifer, 2x1 m. Die ca. 8cm langen Kokosfasern milderten den Aufsprung nur wenig und waren nicht hautfreundlich. Erst nach dem Krieg gab es Ledermatten und später die eckigen blauen Matten. Der Jahresbeitrag waren 4 RM.
Im Sommer 1929 fand bereits ein Turnfest statt, beim Sommerkeller, neben dem heutigen Hauchenbergweg: Hochsprung, Schleuderballweitwurf, 100-m-Lauf, Reck- und Barrenübungen. Ca 50 Teilnehmer in Weiß zeigten gemeinsame Gymnastik. 470 Festzeichen wurden verkauft.
Schon in den Anfangsjahren betrieb man Langlauf und Skispringen, beides mit Tourenski. 1935 holte sich Georg Hauber die Oberschwäbische Meisterschaft in der Nordischen Kombination. Den gleichen Titel errang auch Skiwart Xaver Herz 1951.
1932 bekamen wir einen Sportplatz, hier unten beim „Adler“ zwischen Straße und heutigem Hirschgarten. Mit Sprunggrube und 100-m-Bahn konnte man nun richtig Leichtathletik betreiben und Faustballspiel beginnen.
1933 begründete man eine Damenriege. 1934 wurde dem TVW das Kreisturnfest anvertraut mit einem Neunkampf; Stabhochsprung und Kleinkaliberschießen waren mit dabei. Zum Fest gehörte auch die Weihe der Turnvereinsfahne.
1935 hatte der TSV Kleinweiler zu einem interessanten Staffellauf eingeladen: Start mit 100-m-Lauf unterhalb der Spulenfabrik, auf dem heutigen Peter-Früh-Weg, dann lief ein 1000-m-Läufer bis Seltmans, dort musste einer 300 m schwimmen und übergab dann einem Bergläufer über den Sonneck nach Kleinweiler. Ein Radfahrer nach Großholzleute und einige Mittelstreckenläufer schlossen die Runde. TV Weitnau verdankte seinen Sieg vor allem dem Vorsprung, den der Bergläufer herausgeholt hatte. Das war wieder Georg Hauber, der vom Krieg nicht mehr zurückkehrte.
1936 trat mein Vater eine neue Stelle in Kottern an. Als Nachfolger wählte man Engelbert Müller, der ein guter Sportler war, aber in Weitnau mehr als Sänger und Schauspieler bekannt war. Er musste zusehen, wie der Verein durch allgemeine Wehrpflicht und den Krieg langsam einschlief.
1948 wurde er wiederbelebt durch die Initiative von Martin Müller und Sportlehrer Dr. Nitsch, der aus dem Sudetenland gekommen war. Eine Reihe weiterer Flüchtlinge mit turnerischer Erfahrung traten dem TVW bei. Der wiedergewählte Vorstand Engelbert Müller erklärte nach einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt und dann war ich dran.
Der Sportbetrieb lief wie vorher: Turnen, Leichtathletik, Faustball, Langlauf, Skispringen, daheim und auswärts. Zu auswärtigen Wettkämpfen fuhr man meistens mit dem Fahrrad. Jedes Jahr führten wir, wie auch die Nachbarvereine, ein Sportfest durch, zuerst noch mit Reck und Barren auf dem Sportplatz, später nur noch Leichtathletik und Faustball.
1952 erbaute der TV einen Anlaufturm und Schanze am Widdumberg. Leider wurde der schon 1957 vom Winde verweht. 1962 errichtete man eine neue Sprunganlage mit Beratung von Heini Klopfer, Weltklassespringer und Architekt der ersten Flugschanze in Oberstdorf. Eine Planierraupe vertiefte und verlängerte den Aufsprung. Der Turm wurde nach Skizze Klopfers erstellt. Aber! Wenn bei Schneefall Wind ging, ebnete es die Mulde fein säuberlich zu und wir mussten mit vielen Schneehexen das Profil wieder herausholen. Schanzenrekord 33 m.
Immerhin konnten wir neben unseren eigenen Skitagen 2 Jugendmeisterschaften und eine Flachlandmeisterschaft des Allgäuer Skiverbandes in der Nordischen Kombination durchführen. Etliche Jugendliche unseres Vereins schafften Allgäuer Meisterehren in der Nordischen Kombination im Allgäu.
Anfang der 60er Jahre führten wir Abfahrtsläufe vom Sonneck und Riesentorläufe vom Hauchen durch. Ohne Lift und Pistenwalzen!
1956 konnten wir einen neuen Sportplatz in Betrieb nehmen; da wo heute Raiffeisenbank und Haus Hohenegg stehen. 1955 hatte sich eine Schachabteilung angeschlossen, die schon 1 Jahr später in die nächste Spielklasse aufstieg.
1958 ging ein alter Wunsch in Erfüllung: Eine Fußballabteilung entstand, die mit eigener Vorstandschaft und eigener Kasse im Rahmen des Turnvereins tätig ist. 1965 war die neue Schule fertig und wir konnten deren Gymnastikraum gegen Adlersaal tauschen. Er bot zwar kaum neue Möglichkeiten, aber er war geheizt, eine Dusche stand zur Verfügung und es gab keine Querelen mehr mit Wirten.
1970 brachte die Turnhalle viele neue Möglichkeiten, so dass bald auch die 2. Turnhalle völlig belegt war (1974). Ab 1972 konnten die Freiluftsportler das neue Sportgelände bei der Turnhalle nutzen.
1967 übernahm Alfred Hörner die Vorstandschaft. Er führte den Sonneckcup ein, einen leichtathletischen Mehrkampf für die Sonneckvereine an Stelle der abflauenden örtlichen Sportfeste. Eine andere Idee war das Bergsportfest im Palast. Unser Palast ist kein prunkvolles Gebäude sondern eine sagenumwobene Bergwiese am Hauchenberg. Der Kampf umfasste: Steinstoßen, Balkenwerfen, Bergaufsprint und Weitspringen. Seit 20 Jahren hält sich der Hauchenberglauf; Rekordbeteiligung bestand aus 223 Teilnehmern im Jahr 1991. Marathon und Halbmarathon auf der alten Bahntrasse konnte sich gegen die zahlreichen Konkurrenzangebote auf Dauer nicht halten. Inzwischen hat sich Tennis als neue Sportart im Rahmen unseres Vereins als eigene Abteilung etabliert. Sie baute zuerst einen Tennisplatz am Diethener Weg und später die schöne Anlage am Widdumberg. Neu kam auch eine Volleyballabteilung, die nach einem Wellental jetzt wieder hoffnungsvoll nach oben schaut.
Seit vielen Jahren haben wir „Fit for fun“, Trimm-Trab im Sommer und Skigymnastik im Winter im Programm für körperliches Training ohne Leistungsdruck.
Zu erwähnen sind auch die Himmelfahrtswanderungen seit 50 Jahren. Seit rund 40 Jahren gibt es an jedem Sonntag mit Schnee Skiwanderungen.
1990 trat Dieter Herz die Leitung des Vereins an. Zu seiner Zeit übernahmen Vater und Sohn Bachl das Leichtathletiktraining und führten ihre Buben und Mädchen zu einer großen Zahl erster Plätze bei auswärtigen, auch übergeordneten Wettbewerben. Dieter begründete eine Vereinsgeschäftsstelle und fand in seiner Schwester eine Geschäftsführerin, die Verwaltungsaufgaben und Termine fest im Griff, das heißt im Kopf oder wenigstens im Computer hat. Inzwischen wurde mein Sohn Rainer zum Vorstand gewählt. Ihm verdanken wir neue Satzungen anstelle der von 1955 und – mit vielen anderen Mitarbeitern – dies Jubiläumsfest. Der Ursprung des Vereins, das Turnen, war lange Zeit auf die Weiblichkeit beschränkt. Nach mehreren Wechseln übernahm Ursula Jahn das Leistungsturnen für Mädchen, nahm auch an mehreren Wettkämpfen pro Jahr teil; und die Mädel hielten sich respektabel gegen Großvereine aus Kempten, Immenstadt und so weiter. Sie leitete wohl ebenso lange reifere Damen zu rhythmischer Gymnastik. Es gibt noch eine weitere Seniorinnengruppe, denen der Rhythmus nicht so wichtig ist. Seit 20 Jahren sind auch wir Männer mit Seniorengymnastik und Faustball aktiv. 5 von uns sind über achtzig, der Jüngste noch nicht mal 60. Wir würden gerne den Zwischenraum etwas auffüllen. Aber damit bin ich schon in der Zukunft und die ist ja nicht mein Ressort.
Drum höre ich auf, hoffe, dass ich Sie nicht zu sehr gelangweilt habe, wünsche einen schönen Tag und dem Turnverein weiterhin Erfolg und Gedeihen.